Augenblick mal! Folge 4: Der Hahn

Urmeidericher oder unbesiegbarer Gallier, Fruchtbarkeit oder Verrat, Blitz und Donner oder Ausblick auf neue helle Zeiten? In dieser abwechslungsreichen Folge von Augenblick mal! verbinden sich all diese Gegensätze zu einem fröhlichen Potpourri aus der Traditionsgeschichte Meiderichs und hintergründigem Wissen rund um den gefiederten Freund auf unserer Kirche! Eine Folge für ganz Aufgeweckte!

Hier der Text als Komplettfassung:

Was macht denn der Hahn auf dem Kirchturm?

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von „Augenblick mal“! Ich bin Dirk Strerath und seit 1989 Gemeindepädagoge an dieser Kirche hier Auf dem Damm. Zunächst rein für die Jugendarbeit, seit vier Jahren auch im Gemeinsamen Pastoralen Amt. Ich kann es wirklich nicht zählen, wie oft ich in den vergangenen Jahren von Kindern oder Jugendlichen aus Kinder- oder Schulgottesdienst oder auch aus der Konfi-Arbeit gefragt worden bin: sag mal, Dirk, was macht eigentlich der Hahn da oben auf der Kirchturmspitze? Und warum eigentlich ausgerechnet ein Hahn?

Und für dieses „Augenblick mal“ wollen wir einmal die Antwort ein bisschen breiter gestalten. Der Hahn als solches ist in vielen Kulturen auf der Welt das Symboltier für Fruchtbarkeit.
Aber auch und vielleicht sogar vor allem, das Symbol für „Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, ja, auch Streitbarkeit“. Denn die sprichwörtlichen Hahnenkämpfe sind ja sicherlich bekannt Da passt es ja ganz gut, dass in unserem Nachbarland Frankreich der Hahn das Symboltier für die Nation geworden ist. Das frühere Gallien leitet sich in seiner Namensgebung vom lateinischen „Gallus“, der Hahn, ab. Und dass die Gallier in der Antike ein ausgesprochen streitbares Völkchen waren, musste nicht zuletzt Gaius Julius Cäsar erfahren. Der hat übrigens die Gallier generös nach dem Sieg über sie als die tapfersten unter den Völkern bezeichnet.


Doch auch in Meiderich gibt es zwei ausgesprochen interessante Exemplare dieser Gattung. Auch hier gilt der Hahn als Symbol für die legendäre und sogar sprichwörtliche Streitbarkeit der männlichen Meidericher Bevölkerung Anfang des letzten Jahrhunderts. Besonders die Raufhändel und Auseinandersetzungen mit den Ruhrorter Jungs waren legendär. Während die Meidericher die Ruhrorter sehr abwertend die „Tönnekes Tritter“ nannten (die, die eine Tonne als Klo benutzen müssen), war die emotionale Zündschnur bei den Meiderichern durch das bloße Nachahmen des Hahnenschreis durch die Ruhrorter ausgesprochen kurz. 
Und so kam es, dass manch eine eigentlich fröhliche Frühjahrs- oder Herbstkirmes in Hamborn mit einem intensiven Handgemenge endete . So war stadtweit bekannt, dass, wenn der Meidericher sich etwas auch politisch in den Kopf gesetzt hatte, er das auch durchzog. Da konnte man sich drauf verlassen. Sagt schon das „Haanenlied“.
Und so verwundert es auch nicht sehr, dass manch einer der Meinung war, der Hahn auf der Kirchturmspitze der Ev. Kirche „Auf dem Damm“ sei einfach nur das konsequent fortgesetzte Symbol für die Streitbarkeit der Meidericher auch und besonders in Form der Protestanten. Das allerdings ist dann doch ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen ….

Der Hahn auf unserer Kirchturmspitze ist in der „tausendjährigen Geschichte Meiderichs von Pfarrer Hermann Johann Graeber“ erwähnt. Am 18. September des Jahres 1891 wurde er als letzte Aktion eines „Renovierungssommers“ auf die Spitze gesetzt. Dieser Renovierungssommer begann mit der „sehr notwendigen Neueindeckung des Kirchturmdaches“, zu deren Abschluss am 20. August das neue große Kreuz aufgesetzt wurde. Und zu guter Letzt dann eben am 18. September der Hahn ganz oben drauf.


Und damit sind wir wieder bei der Frage vom Anfang: warum denn eigentlich ausgerechnet der Hahn? Dazu bemühen wir einmal die Bibel: in den Evangelien wird uns berichtet, dass Jesus an dem Abend, wo er mit den Jüngern das besondere Abendmahl feiert, auch in ein Streitgespräch mit Judas über dessen Verrat und mit Petrus über dessen bevorstehende Verleugnung geriet.
Natürlich wies Petrus diesen Vorwurf weit von sich, hielt er sich doch für den allerbesten Freund von Jesus und konnte sich ein solches Verhalten auf keinen Fall vorstellen. Auch als Jesus ihm auf den Kopf zusagte, dass Petrus ihn drei Mal verleugnet haben würde, noch ehe der Hahn am nächsten Morgen gekräht hätte, wollte Petrus das nicht hören ….
Die weitere Geschichte ist kurz und bitter: als Jesus durch die Soldaten weggeführt wurde, wollte Petrus wissen, was mit Jesus geschieht. Er schlich in sicherem Abstand hinterher und kam in den Burghof des Hohenpriesters. Dort setzte er sich an das durch die Soldaten entzündete wärmende Feuer. Doch schon nach kurzer Zeit wurde er von einem Dienstmädchen angesprochen: „sag mal, du gehörst doch auch zu den Leuten von Jesus, oder?“ – Petrus entgegnete: „den kenne ich überhaupt nicht.“  Kurz darauf ein Zweiter: „Ich meine aber auch, dass du einer von seinen Leuten bist!“ – „Vollkommen ausgeschlossen!“ ist die Antwort von Petrus.
Eine Stunde später ein Dritter: „Na klar gehörst du zu den Männern, die bei Jesus waren. Dein Dialekt aus Galiläa verrät dich doch.“ – der aufbrausende Petrus stößt hervor: „Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest und was du meinst!!!“
Voller Wut steht Petrus vor den Anklägern ….. In dem Moment kräht der Hahn. Petrus wird deutlich, dass genau das eingetreten ist, was Jesus hat kommen sehen. Daraufhin rennt er bitterlich weinend aus dem Burghof ….

So wurde der Hahn auf ganz vielen Kirchturmspitzen weltweit nicht nur ein praktischer Windanzeiger, sondern vor allem das Symbol für die Aufforderung zur Wachsamkeit und standhafter Treue in seinem christlichen Glauben. Jedes Mal, wenn man zur Kirchturmspitze schaut, um die Windrichtung zu erfahren, wird man an die Geschichte erinnert, die für Petrus so traurig endete.

Wer nun heute zum Kirchturm der Ev. Kirche Auf dem Damm hochschaut, stellt fest, dass wir unter dem Hahn kein Kreuz, sondern als besonderes Zeichen für die Ev. Gemeinde Meiderich einen Abendmahlskelch haben. 
Und so bleibt noch eine letzte Geschichte: Mitte der 90er Jahre gab es einen heftigen Sturm in einer Nacht über Meiderich. Nachdem dieser sich am nächsten Morgen gelegt hatte, musste die Gemeinde feststellen, dass es ihr den Abendmahlskelch und den Hahn von der Kirchturmspitze gefegt hatte und diese beim Herunterfallen das Kirchendach durchschlagen hatten. Gott sei Dank war in dieser Nacht kein Mensch zu Schaden gekommen!
Nach intensiven Restaurationsarbeiten an Dach und Stahlensemble wurden der Abendmahlskelch und der Hahn mit riesigem Kran wieder auf die Spitze gesetzt. Seitdem strahlt er wieder in ganzer Pracht und gibt uns ein Zeichen der Wachsamkeit und Treue für den Glauben über ganz Meiderich!

Text: Dirk Strerath